Über das Sterben...


Ein Thema, welches jeden treffen kann und worüber trotzdem keiner spricht...

 Ich habe einen Menschen sterben sehen und ich weiß nicht, ob ich je wirklich mit wem darüber geredet habe? Ich bin mir nicht mehr sicher. Vielleicht mal grob angerissen, ja, aber so richtig? Klar, schweres Thema, gerade in meinem Alter kommt das, glücklicherweise, ja nicht so häufig vor, aber ich muss es mir einfach doch endlich von der Seele schreiben.

 

Warum ich den Blog gerade heute veröffentliche ist leicht erklärt. Heute Nachmittag, genauer gesagt um 16:42, ist es genau ein halbes Jahr, dass mein Papa gestorben ist. Und mir ging es die ganze Woche nicht gut, ich hab viel daran gedacht, weshalb ich nun versuche, genau dieses Thema für mich ein Stück weit zu verarbeiten.

 

Beginnen möchte ich vor einem halben Jahr und zwei Tagen, also in der Zeit, in der mein Vater sehr krank und auf der Palliativstation war. An dem besagten Abend war ich bei Freunden zum grillen eingeladen und es war ja auch ganz schön, aber mit dem Kopf war ich einfach wo anders. So lange, bis meine Mama geschrieben hat, dass wir vielleicht vorbei kommen sollten, mein Papa schlafe so tief, keiner wisse, ob er nicht vielleicht noch in dieser Nacht stirbt oder oder oder… Naja, ich bin dann erst mal Heim gefahren um mich mit meinen Brüdern zu treffen. Bereits im Auto habe ich mit meinem großen Bruder telefoniert und ihm gesagt, dass ich Angst habe, und dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ich es mit ansehe, wie mein Papa stirbt. Schon in der Zeit, als er zu Hause gepflegt wurde hatte ich immer Angst, er stirbt, wenn ich mit ihm allein bin. Klingt vielleicht jetzt komisch, aber ganz ehrlich, ich hätte einfach nicht gewusst, was ich dann hätte tun sollen, hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen. Aber so kam es ja nicht. Bis wir dann im KKH waren, war mein Papa wieder wach, und wir hatten noch einen letzten Tag mit ihm...

An dem besagten Tag war ich dann bei ihm und es lief "Findet Nemo", obwohl mein Papa den Film verschlafen hat. Ich weiß, dass das ein mega unwichtiges Detail ist, aber ich wollte das einfach mal erwähnen. Als er dann eine Zeit später wieder aufgewacht ist, hatte er Hunger, wollte etwas Obst. Ich hab ihm verschiedene Sachen gebracht, eine Banane, einen Apfel und ich glaube eine Nektarine, hergeschnitten und ganz ehrlich: er hat nichts von all dem noch essen, beißen, geschweige denn schlucken können. Gegen Abend bin ich dann nach Hause gefahren, wie immer mit den Worten "Bis Morgen" (ein Satz, der viel mehr mir als ihm Kraft geben sollte).

 

Am nächsten Tag, dem Montag, den 26. September, war ich dann in der Früh, wie immer, in der Arbeit, aber nicht lang, denn dann hatte meine Mutter schon angerufen, ich solle bitte vorbei kommen, da es sehr schlecht um meinen Papa steht. Und im Krankenhaus habe ich dann auch gesehen, warum. Seine Finger, Arme und Beine hatten sich zu dem Zeitpunkt schon langsam blau verfärbt, die Sauerstoffversorgung wurde schwächer. Damit er nicht leiden musste, erhöhten die Schwestern dann die Medikamente so, dass er endlich schlafen konnte.

Obwohl der Tag alles andere als normal war, haben wir mittags um 14.15 den Fernseher angeschaltet, denn zu der Zeit kam täglich eine Sendung, die er immer angeschaut hat. Vielleicht war das für uns, seine Familie, die zu dem Zeitpunkt da war, einfach ein Versuch, ein bisschen Normalität mitzunehmen, es würde weitergehen, wenn auch anders und schwer.

 

Als zum späteren Nachmittag meine Mama, meine Brüder und ich dann mit Papa allein waren, ging sein "eigentliches" Sterben eigentlich sehr schnell. Es hat sich erst nur die Atmung verändert, aus tiefen Atemzügen wurden eher kurze "Luftschnapper". Die Schwester und die Ärztin die wir geholt hatten, meinten, dies könne nun durchaus stundenlang so gehen, aber binnen 20 Minuten war alles vorbei. Die Zeit, zwischen den Schnappern wurde länger, bis die Atmung einfach aussetzt. Ich hatte Angst davor, einen Menschen sterben zu sehen, aber eigentlich, und ich weiß, so wie ich das jetzt schreibe klingt das mega dämlich, ist es nicht so spannend. Man hört "einfach" auf zu atmen, als wäre der Akku leer, ein dämlicher Vergleich, ja, aber irgendwie ist es so. Beängstigender fand ich, zu sehen, wie sich die Haut verändert hat. Binnen kurzer Zeit war diese eher gelblich und eingefallen. Ein Freund, der bei der Polizei arbeitet, hatte mir kurz davor gesagt, dass man sieht, wenn ein Mensch tot ist - und ja, man sieht es, wenn ein Mensch tot ist. Ich kann es nicht genauer erklären, vielleicht ist es eins der Dinge, die man erleben muss, um sie zu begreifen.

 

 Und wenn ich jetzt ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich in diesem schrecklichen Moment neben all der Trauer auch eine gewisse "Erleichterung" gespürt habe. Je mehr ich über diese Zeit nachdenke, umso klarer wird mir, dass es nicht das schlimme war, meinen Papa gehen zu lassen, ihn sterben zu sehen. Viel schlimmer war es, ihn Tag für Tag leiden zu sehen, zu sehen, dass er nicht allein aufs Klo gehen konnte, kein Stück matschige Banane essen konnte, sogar zu sehen, dass ihm kein Bier und keine Zigarette mehr schmeckt, das ist es, was mir jeden Moment nachhängt. Mir fällt es so schwer, an meinen Papa zu denken, wie er 20,5 Jahre meines Lebens war. Groß, stark, nicht immer der leichteste  Mensch für mich, charakterlich, aber einfach mein Papa. Wenn ich an ihn denke, sehe ich einen abgemagerten, zerbrechlichen Mann den Krankheit und Medikamente zerfressen haben wie nichts. Mit dem Tod glaube ich kann ich ganz gut umgehen, klar, soll nicht heißen, dass er mir nicht fehlt oder dass es für mich okay ist, was passiert ist. Ich will damit nur sagen, dass mich die Zeit davor viel härter getroffen hat. Mir viel mehr abverlangt hat.

Mein Vater wollte zum Ende hin sterben, er wollte, dass wir unser Leben wieder leben können, abschließen können. Und tatsächlich war sein Tod ein Schlussstrich. Aber die Zeit davor wird noch lange brauchen, um verarbeitet werden zu können. Ich hoffe, dass mein Vater in meiner Erinnerung irgendwann wieder der sein wird, der er war, diese Gedanken sind schon noch da, nur überwiegt der Rest einfach immer noch.

 

 Was für mich über all diese Wochen und Monate auch einfach grausam war, war zu sehen, wie es meiner Familie, vor allem meiner Mama ging. Es gibt diesen Spruch "Den eigenen Tod muss man nur sterben, mit dem Tod eines anderen muss man leben" und das ist so wahr, so schmerzhaft und gleichzeitig so unausweichlich. Zu sehen, wie jene, die ich liebe leiden, hat mir mein Herzchen zerbrochen, vor allem, weil man vielleicht ein Stück weit trösten kann, ja, aber der Schmerz bleibt trotzdem. Viele haben zu mir in der Zeit gesagt das wird schon wieder, aber manches wird eben nicht mehr, nie mehr.

 

Haltet eure Lieben gut fest und passt auf euch auf.

Dankeschön fürs Lesen.


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Kommentare: 2
  • #1

    MasterFaster (Mittwoch, 29 März 2017 17:35)

    Guten Tag,

    eine sehr rührende Darstellung der Ereignisse und ein starker Umgang mit diesem Thema.
    Leider muss ich sagen, dass ich doch sehr abgebrüht bin. Als meine Oma vor 4 Jahren gestorben ist, stand ich im Prüfungsstress. Einen ganzen Tag telefonierte ich mit Polizei und Feuerwehr, da alle Familienmitglieder im Urlaub und somit im Ausland waren. Ich nahm nach dem Aufbruch der Wohnungstür die Todesnachricht zwar war, aber ich fühlte nichts. Bis heute bin ich weder traurig noch froh drüber. Nur einmal kamen mir die Tränen, als mein Vater und mein Onkel am Grab weinten.
    Ich weiss nicht wieso es mich nicht einmal ein wenig bedrückte, ich weiss es nicht! Ich war jeden Sommer bei ihr, Weihnachtferien und Ostern, aber keine Emotionen.
    Dahingegen, wenn ich meine alternde Katze jetzt sehe und mir vorstelle, morgen könnte sie sterben, merke ich, wie mir die Tränen allein von der Vorstellung in die Augen schießen.
    Im RTW/NEF habe ich viele Tote gesehen, ich fand es immer interessant, das Umfeld zu sehen. Wie lebte dieser Mensch, hatte er noch soziale Kontakte oder war er alleine, wie lange dauerte es bis zum Auffinden und wer hat ihn gefunden. Betroffen war ich eigentlich nur, wenn die Angehörigen eintrafen und die meisten in ein tiefes schwarzes Loch vielen und den Verlust in dem Moment erst wahrnahmen.
    Ich möchte zwei Beispiele geben.
    Im PJ musste ich auf einer inneren Station bei meiner Patientin Blut abnehmen. Diese hatte Angst vor Nadeln und dem entsprechend lang dauerte das Ganze. ich war genervt, denn ich hatte noch 9 Patienten auf der Liste und die Morgenbesprechung rückte immer näher. Als es endlich geschafft war, meinte die Patientin, wann sie endlich gehen könne, sie möchte nicht im KH bleiben. Ich noch beim beschriften meinte noch, die Visite komme in 30 min, der Chefarzt würde ihr dann alles erklären und scherzte noch, dass das nicht meine Gehaltsstufe sei. Beim Rausgehen meinte ich dann noch, sie solle doch aufessen, worauf sie meinte, sie habe seit gestern keinen Hunger mehr und heute morgen fühle sie sich komisch. Aber sie berichtet dann bei der Visite. Wenige Minuten nach Beginn der Morgenbesprechung wurde Herzalarm ausgelöst, eine Reanimation. ich kam mit meinem Stationsarzt als erstes ins Zimmer und sah, es war meine Patientin, die dort regungslos auf dem Bett lag, Arme leblos herabhängend. Nach erfolglosem Pulstasten ging also die Reanimation los, das Rea-team kam und Defi wurde 3 mal ausgelöst. Nach knapp 10 Minuten hatten wir wieder einen Sinusrhythmus und einen Auswurf/Puls. Die Patientin verstarb am gleichen Abend auf der Intensiv. Die Aufarbeitung zeigte, dass sie eine PE hatte und dies nicht vorherzusehen war. Bis heute muss ich an diese Frau denken, speziell wenn ich wieder genervt bin. Denn genau da, könnte ich einen entscheidenden Hinweis überhören oder nicht registrieren. Hätte ich mit ihr reden sollen, wäre im Gespräch vielleicht ein Wadenschmerz genannt worden und und und….
    Ein Zweiter Fall:
    NAW bekommt die Meldung bewusstlose Person in Tiefgarage. Wir also mit Sondersignal hin, der Notarzt erklärt mir (PJler), das könne jetzt alles sein, von bewusstlos bis Tod. In der Straße angekommen, stehen ca. 10 Personen vor der Garage, eine junge Frau rennt auf uns zu und schreit, das grad jmd. wiederbelebt wird. Wir rennen hin, ein Mann, ca. 55 a, liegt am Boden, in einer riesen Blutlache und ein Mann zählt laut bei der Herzdruckmassage mit. Ich spring hin, löse den Mann ab, RA legt Zugang und der Notarzt legt pads an und bewacht Monitor….Als wir mit dem Patienten am Krankenhaus ankommen und ihn grade reinrollen wollen, klingelt ein Handy, nach langer Suche finden wir es in seiner Jacke und auf dem Display steht XXXXXXX (Tochter) und das Klingeln war eine Melodie einer Kinderserie. Ich schaute meinen Arzt an und wir dachten beide das Gleiche, Scheisse…
    Wie so oft, verstarb auch dieser Patient wenig später.

    Der Tod begegnet uns auf so vielen verschiedenen Art und Weisen, sei es in Form deines Haustieres, bei einem Unfall oder nach langem Kampf, Familienangehörige, Freunde oder nur flüchtige Bekanntschaft. MMn ist es wichtig, nicht das ganze in sich reinzufressen und mit jmd. drüber zu reden.

    Zum Kommentar will ich nur noch eins anmerken, ja es stimmt, man hat meistens ein Gefühl, dieser Mensch ist tot. Ich glaube es liegt an den Augen…Aber selbst da kann man sich täuschen und Meilenweit daneben liegen. Daher immer Wiederbeleben, bin ein Monitor angeschlossen wurde. Man kann nichts falsch machen.

    Ansonsten Danke für den guten Beitrag. Ich hoffe mehr von Ihnen zu lesen und wenn ihr Blog mit diesem Beitrag enden sollte, da Sie sich die Geschehnisse von der Seele schreiben wollten, wäre es schade, aber verständlich.
    Mit freundlichen Grüßen
    MF

  • #2

    AndreaKaro (Mittwoch, 12 April 2017 23:57)

    Lieber MasterFaster, vielen Dank fürs kommentieren meines Artikels, ganz grundsätzlich geht einfach jeder anders mit dem Thema um... Wie eigentlich mit allen Themen.
    Aber nein, so schnell habe ich nicht vor, das Schreiben aufzuhören, ich mach das einfach gern und es tut mir gut.
    Viele Grüße :)