Behindert oder wie?

Behindert oder wie?

In meinem heutigen Blog geht es um Gebärdensprache, die Sprache, die verwendet wird um sich mit tauben Menschen zu unterhalten. Auf dem Bild links seht ihr ein Wort aus der Gebärdensprache, was es bedeutet erfahrt ihr am Ende des Blogs (ich weiß, dass ich Patscherlhände hab, aber wenn ich schon mal ein so zum Thema passendes Bild posten kann musste ich es einfach ausnutzen). :)


Woraus besteht mein Blog?

Im Endeffekt ist die Entstehungsgeschichte all meiner Artikel fast immer die Gleiche, ich bin irgendwo, rede mit Menschen, egal ob Freunde, Bekannte oder Fremde, und manchmal kommt es eben, dass die Gespräche zu Themen führen, die mich wirklich berühren, über die ich so vielleicht noch gar nicht nachgedacht habe, die es auf jeden Fall wert sind, so in meinen Blog aufgenommen und verarbeitet zu werden. Und genau dies war auch am Freitag der Fall, als ich mit einem Kumpel in unserer Stammkneipe war (etwas Essen und ein Getränk, welches dann aber erst um 4 Uhr in der Früh leer war), der Fall.

Neben uns saß also ein Pärchen, und wies oft ist kamen wir ins Gespräch, und schließlich auf ein Thema, welches mich kaum mehr losgelassen hat seitdem. (Genaugenommen habe ich mich vor allem aus dem weiteren Gespräch an dem Abend ziemlich ausgeklinkt, weil mich das Thema so gefesselt hat.) Das Mädchen, eine junge Tschechin, die für ihren Freund nach Deutschland kam, erzählte also im Laufe des Abends, sie sei Erzieherin, habe aber in Tschechien Gebärdensprache studiert, nur wird ihr das Studium in Deutschland nicht anerkannt, weshalb sie in dem Bereich nicht mehr arbeiten darf (typisch Deutsch, ich möchte mich an der Stelle aber nicht aufregen, da dass definitiv ein anderes Thema ist...).

 

Ich bin mir sicher, dass fast jeder, der das gerade liest, schon irgendwann irgendwo mal Menschen mit den Händen hat reden sehen (und nein, damit meine ich nicht die, die oftmals wild gestikulieren :P). Ich persönlich fand das immer mega faszinierend, gut, ich finde Fremdsprachen allgemein sehr spannend, habe mir sogar vor ein paar Jahren selbst darüber Gedanken gemacht, ob ich Gebärdensprache studieren sollte, aber, warum auch immer, verlief dieser Gedanken sehr bald wieder im Sand.

Die erste Frage, die sich uns natürlich in dem Moment stellte war, ob sich denn die tschechische von der deutschen Gebärdensprache unterscheidet? (Und jetzt mal ganz ehrlich, hast du dir da je Gedanken drüber gemacht, schon eigentlich ziemlich interessant, nicht?) Und die Antwort darauf, hat mich ziemlich überrascht. So ist die Gebärdensprache schon von Stadt zu Stadt super verschieden, also in München wird ganz anders gebärdet als in Landshut, und dort wieder anders wie in Passau. Natürlich ist es möglich, sich zu verständigen, aber dazu müssen beide Parteien wirklich arg aufeinander acht geben, um auch wirklich möglichst viel zu verstehen und weitergeben zu können. (Hier möchte ich kurz mit anmerken, dass ich selbst keine tauben Menschen kenne, und mich online auch nicht weiter informiert habe, ich habe einfach auf die Worte vertraut die ich gehört habe, sollte hier jemand andere Erfahrungen haben, bin ich aber auch Kommentaren gegenüber sehr aufgeschlossen. :) ) Ich weiß nicht, ob ich erwartet habe, dass es die Gebärdensprache in jedem Land separat gibt, quasi wie Deutsch, Französisch, Portugiesisch,..., aber grundsätzlich haben mich diese extremen Unterschiede doch fasziniert und überrascht.

 

Weiterhin hat sie uns dann erzählt, dass sich taube Menschen im Endeffekt fast als ein eigenes "Volk" ansehen, was irgendwie aber tatsächlich fast ein bisschen plausibel ist, immerhin haben sie eine ganz eigene Sprache, Grammatik, Kultur. Und gleichzeitig heißt das, dass sie sich selbst nicht als behindert oder krank sehen. Vielmehr wurde uns erzählt, dass Taube regelmäßig Witze über Hörende machen - irgendwie doch paradox. Da versucht man immer, möglichst offen zu sein, um dann zu erfahren, dass man von so vielen Tauben regelmäßig verarscht wird - natürlich ohne das ganze überhaupt zu verstehen. Aber klar, wie denn auch. Ein fehlendes Gehör kann man als Behinderung betrachten, aber nur auf den ersten Blick, meiner Meinung nach. Denn wenn ich jemanden als behindert bezeichne, nur aufgrund dessen, weil er mich nicht und ich ihn nicht verstehen kann, müsste ich doch gleichzeitig auch alle Menschen der Welt, die der deutschen oder englischen Sprache nicht mächtig sind, als ebenso behindert bezeichnen, oder? Die Gebärdensprache ist für uns einfach fremd und anders, und man hat zumeist Angst vor den Dingen, die anders sind, ist es nicht immer so? Dies ist meiner Meinung nach wieder eine Grenze, die sich unsere Gesellschaft setzt, was man nicht kennt ist komisch, obwohl es gleichzeitig vielleicht unglaublich interessant sind. Und im Endeffekt sind wir alle Menschen, der eine kann das, der andere was anderes, aber das ist doch ok?

Gleichzeitig gibt es in der Gebärdensprache auch Witze, die für Hörende nicht weiter lustig wären, ich könnte euch an der Stelle einen tschechischen Gebärdensprachenwitz erzählen, allerdings sind erklärte Witze nicht lustig, erst recht nicht, wenn man sie eigentlich ja bildlich darstellen müsste. :D

 

Im weiteren Verlauf des Gespräches kamen wir dann noch auf ein Thema, welches für mich tatsächlich seit Jahren ein ungelöstes Rätsel war - wie kommunizieren die, die weder hören, noch sehen können? Ja, ja, ja, hast du dir darüber mal Gedanken gemacht?!

Ich kannte nur das Lormen (wobei ich den Begriff grad erst ergooglen musste), also das Tippen auf die Handfläche um sich damit auszudrücken, hierbei spricht man von einer taktilen Kommunikation (guuut, genug Infos vorerst), aber was, wenn jemand diese vielleicht nicht kann? Das Mädchen, welches uns so viel erzählt hat, erklärte es mir, und hierbei war ich mal wieder erstaunt, wie banal und simpel manche Lösungen oftmals sind, wie sie sich mit einem taubblinden Bekannten unterhält, Sie "spricht ganz normal mit ihren Händen", gebärdet also, und er fühlt ganz einfach mit seinen Händen, welche Bewegungen sie macht, und was sie damit sagen will. Ich weiß nicht, ob ihr meine Faszination nachvollziehen könnt, aber ich finde es bewundernswert, wie sich unsere anderen Sinne schärfen können, wenn einer oder mehrere verloren gehen, oder schwächer werden.

 

Manchmal muss man nur einfach nachfragen, um eine andere, eine neue Welt zu verstehen. Wir versuchen zwar irgendwie, "Behinderte" (Gott, eigentlich mag ich dieses Wort umso weniger, je mehr ich es benutze) zu integrieren, und es gibt in all den großen Unternehmen Quoten, eine bestimmte Anzahl einzustellen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass man oftmals viel zu wenig übereinander weiß. Weil anders und komisch und vielleicht irgendwo auch Angst, aber hey, wir sind alle Menschen, und ich bin froh um alle, die ich kennen lerne.

Denn Menschen und ihre vielfältigen Geschichten (und die hat jeder, man muss sich nur mal hinsetzen, nachfragen und zuhören!) sind doch ziemlich oftmals eine ziemliche Bereicherung und Inspirationsquelle. An dem Punkt: Jana, vielen lieben Dank dir für ein echt tolles, bezauberndes Gespräch und einen Einblick in eine Welt, die ich zwar davor kannte, von der ich aber bis dato keinerlei Ahnung hatte. :)

 

Ich versuche immer, ein bisschen was von meinen Gedanken an euch weiterzugeben, (sonst hättet ihr ja nix von meinen Artikeln :P) und was ich heute glaube ich vor allem sagen will, ist, dass man offen sein sollte, für alles neue und alles, was unsere Welt und die Menschen so zu bieten haben. 

 

 

Passt auf euch auf, seid offen und wir lesen uns! :)

 

P.s.: Meine Hände versuchen, das deutsche Zeichen für Ehe/ Hochzeit darzustellen, der kleine Finger schiebt dabei sinnbildlich einen Ring über den Ringfinger :)

 

Danke fürs Lesen!

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Jessica (Freitag, 28 April 2017)

    Hallo Andrea Karo,

    ich habe gerade deinen Artikel gelesen und fande ihn total schön geschrieben!
    Gebärdensprache ist meine Leidenschaft und ich freue mich, dass du auch so fasziniert von diesem Thema bist :) Ich arbeite zurzeit mit tauben Menschen zusammen und dort habe ich auch Kontakt zu zwei taubblinden Menschen. Viele Menschen, die nicht mit dem Thema vertraut sind, haben Mitleid oder finden deren Leben traurig. Durch meine Arbeit dort, habe ich eine ganz andere Sichtweise bekommen. Das taktile Gebärden macht mir außerdem total Spaß!

    Du kannst ja auch mal auf meinem Blog vorbeischauen:
    http://jessicaverena.blogspot.de/

    Dort habe ich zwar noch nicht viele Einträge, aber ich habe viele Ideen und bin da auch schon fleißig am tippen!

    Ich wünsche dir noch einen schönen Tag!
    Jessica