Gespräch nach einem Selbstmordversuch

Totes Laub - tote Zeit? Ich liebe den Herbst.

 

 

Wer mich kennt weiß vielleicht, dass ich BWL studiere. Wer mich kennt weiß außerdem vielleicht, dass ich gerne mit Menschen spreche, denn jeder Mensch hat eine, hat seine ganz besondere Geschichte.

Mein Studium passt vielleicht nicht ganz zu mir, aber letztens durfte ich eine Arbeit schreiben, für die ich wirklich Feuer und Flamme war. Der Titel war ganz schlicht "Was ist eigentlich Tod?". Im Zuge dessen habe ich den Tod aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und auch ein Interview mit einem Menschen geführt, der vor Jahren mehrfach versucht hat, sich selbst umzubringen. Die Gedanken aus dem Interview möchte ich heute mit euch teilen.

 

 


Was ist eigentlich Tod?


Was ist also die Zeit? Wenn mich niemand darüber fragt, so weiß ich es; wenn ich es aber jemandem auf seine Frage erklären möchte, so weiß ich es nicht. (Augustinus Aurelius)

Ich glaube, ganz ähnlich wie die Frage nach der Zeit lässt sich auch die Frage nach dem Tod kaum wirklich beantworten. Seien wir doch ehrlich, der Tod ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema. Natürlich, werden wir doch irgendwie auch seltener damit konfrontiert. Ich weiß, man bekommt regelmäßig durch die Medien mit, dass jemand gestorben ist, aber in unserem Umfeld passiert das, Gott sei Dank, doch eher selten. Logisch, lag die Lebenserwartung früher bei etwa 30-40 Jahren werden die Menschen heute oftmals doppelt so alt. Ich möchte das nicht schlecht reden, im Gegenteil. Dies hat nur dazu geführt, dass der Tod für uns alle weiter weg ist. Früher wurden Tote lange zu Hause aufgebahrt, man trug ein Jahr lang Trauerkleidung. Und heute? Ein Mensch stirbt, ja, man trauert, Beerdigungen sind nach wie vor oftmals groß. Und dennoch lässt man das Thema dann schnell unter den Tisch fallen, weil viele einfach nicht damit umzugehen wissen.

 

Keiner weiß was danach kommt, Theorien gibt es viele, bestätigen wird die aber nie jemand können. Viele haben Angst vor dem Tod, aber muss das sein? Hier deshalb die Zusammenfassung aus meinem Interview, denn ich fand es super spannend.

 

Für meinen Probanden war der Tod, ganz simpel ausgedrückt, das Ende des Lebens. Auf Nachfrage meinte er aber auch, es sei im Endeffekt wie ein unbekanntes Abenteuer, keiner weiß, was danach alles passiert, wie es weitergeht. Im Endeffekt ist es wie ein Film, bei dem die Fortsetzung einfach fehlt.

Mein Proband hat mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen, mich persönlich hat deshalb auch einfach seine Sicht auf den Tod interessiert, auch, ob man den Freitod als Lösung bezeichnen kann. (Falls Menschen diesen Artikel lesen, die selbst Probleme haben: lasst euch helfen, bitte. Der Tod ist nicht der letzte Ausweg!)

Mir wurde die Situation vor dem Selbstmordversuch wie folgt geschildert. Die Gedanken an den eigenen Tod entstanden vor allem dadurch, da mein Interviewpartner schon sehr lange mit sehr starken Depressionen zu kämpfen hatte. Sein Leben drehte sich im Endeffekt nur um die negativen Gedanken, die schlechten Gefühle, die Antriebslosigkeit, den Schmerz, der ihn rund um die Uhr begleitete. Das änderte sich, als er den Entschluss zum Freitod gefasst hatte: denn dadurch kam für ihn etwas wie eine depressive Freude zustande. Das Wissen, dass alles besser werden kann, das der Schmerz ein Ende hat, dass es nicht bleiben muss wie es ist. Aus der damaligen Sicht war der Freitod für meinen Probanden eine Lösung, da schließlich das Problem, da schließlich er selbst endlich weg gewesen wäre. Dieses Wissen gab ihm ein Stück weit Hoffnung, da es etwas scheinbar positives gewesen wäre.

Auch heute denkt er ähnlich, aber gleichzeitig weiter. Die Probleme wären für ihn weg, für ihn gelöst. Aber was würde zurück bleiben? Familie, Freunde, Menschen die ihn lieben blieben zurück mit unzähligen Fragen, Schmerz und Trauer. Für diese ergäben sich dann durch den Egoismus der eigenen "Problemlösung" neue Probleme, Selbstzweifel, unbeantwortbare Fragen und der Schmerz des Verlustes.

 

Weiter in meinem Interview hat mich die Frage interessiert, wie der Proband jetzt zum Tod steht. Irgendwie ist dieses Thema in meinem Leben durchaus präsent, gut, ich mache es auch zu einem Thema, über welches ich gelegentlich spreche, wohl auch, um zu verarbeiten. Aber gleichzeitig gab mir seine Antwort auf die Frage... Hoffnung? Ich bin mir nicht sicher, aber sie lässt mich dem Thema Tod ein stück weit positiv entgegenblicken. Mein Proband meinte, er sei neugierig auf den Tod. Er wisse, was es heißt zu sterben, aber was es bedeutet, ganz und gar tot zu sein, ist und bleibt ein großes Mysterium. Für ihn ist diese Neugierde kein Grund, es nun nochmal herauszufordern, er genießt sein Leben und freut sich aber auch darauf, herauszufinden, wie es sein wird, tot zu sein.

 

Und ja, mein Proband war einmal tatsächlich ganz tot. Ich wusste das vor dem Interview selbst nicht, weshalb ich auch danach gefragt habe. Interessanter Weise meinte mein Proband, dass bei ihm, nachdem er gestorben ist, alles einfach schwarz war. Es war nicht wie die Aussagen von anderen Wiederbelebten von einem Licht oder ähnlichem. Für ihn war damals alles einfach schwarz. Und gleichzeitig hat es sich gut angefühlt und er hatte keine Angst.

 

Ich weiß nicht warum, aber das Gespräch mit meinem Probanden gab mir ganz persönlich ein Stück weit das Gefühl, dass der Tod ok ist. Er gehört zum Leben dazu. Natürlich tut es weh, Menschen zu verlieren, und wir wissen alle nicht was danach kommt, aber hey, vielleicht ist es ja wirklich ok. Vielleicht ist es gut.

 

Abschließend stellte ich meinem Probanden eine "banale" Frage: Was ist eigentlich Tod?

Seine Antwort war schlicht, das Hähnchen in der Tiefkühltruhe sei tot. Darauf mussten wir beide erstmal lachen, aber wenn ich jetzt genauer darüber nachdenke, dann stimmt die Aussage doch? Abschließend meinte mein Proband, es gäbe auf diese Frage viele Antworten. Jede Kultur sieht den Tod anders, die einen als Ende, die anderen als neuer Anfang usw. 

 

 

Obwohl ich das Gespräch "nur" im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit geführt habe, fand ich es super spannend und wie bereits erwähnt, mir hat es Hoffnung gegeben. Hoffnung, in einer Art und Weise, wie ich sie nicht wirklich in Worte fassen kann.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass der Artikel nur aus meinen Gedanken und den Gedanken meines Probanden bestehen. Diese sind wirklich nicht verallgemeinerbar, dennoch vielleicht helfen sie dem ein oder anderen, den Tod mit ein wenig anderen Augen zu betrachten. Und sollte jemand wirklich an Depressionen oder gar Selbstmordgedanken leiden, bleibt damit nicht allein. Wendet euch an wen, schreibt mir wenn's ist. Keiner muss allein bleiben, jeder hat irgendwen, der um einen trauern würde, glaubt mir...

 

Eine Sache noch, und dann bin ich fertig. Ich habe mir die Frage, was Tod eigentlich ist lange gestellt, ich kenn jetzt einige Definitionen. Aber ganz ehrlich, wir wissen alle erst was Tod ist, wenn wir es selbst sind. Vielleicht ist er schön, vielleicht schlimm, aber hey, lebend kommen wir aus diesem Leben auch nicht raus.

Vielen Dank fürs Lesen und [Name], dir unendlich vielen Dank für deine Gedanken.

Passt auf euch auf.

Andrea

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Kommentare: 5
  • #1

    Jürgen (Sonntag, 29 Oktober 2017 06:21)

    Hallo Andrea,

    Ich finde den Gedanken mit dem Abenteuer eigentlich sehr angenehm. Wir wissen alle nicht was kommen wird aber ein Abenteuer kann alles sein und so kann man sich glaube ich auch die Angst nehmen...

    Liebe Grüsse
    Jürgen

  • #2

    Tom (Sonntag, 29 Oktober 2017 11:14)

    Ich hatte auch schon immer Angst vor dem eigenen Tod. Jegliche Gedanken darüber verursachten in mir ein mulmiges unangenehmes Gefühl und mein innerer Schutzmechanismus versuchte dann immer ganz schnell die Gedanken zu verdrängen.
    Der Tod, um Gottes Willen, ja nicht drüber nachdenken! Na ja, es wäre vielleicht auch leichter gewesen wenn ich an Gott glauben könnte, keine Ahnung?!
    Vor einigen Jahren dann hatte ich eine - zumindest in meinen Augen - schwere Lebenskrise. So mit allem was dazu gehört. Depressionen, Gesprächstherapien, Aufenthalt in der psych. Klinik und leider auch suizidale Gedanken. Grotesk ist, dass mir genau das aber die Angst vor dem Tod genommen hat. Ich denke jetzt, wo ich die Krise mehr oder weniger überwunden habe und das Leben wieder genießen kann, ganz anders über den Tod. Er macht mir kein bisschen Angst mehr und das obwohl ich davon überzeugt bin dass danach nichts mehr kommt.
    Seit dem beantworte ich die Frage: “Was ist der Tod?“ für mich so: Der Tod ist genau das was ich in meinem Leben aus ihm mache!

    Lg,
    Tom ;)

  • #3

    TB (Sonntag, 29 Oktober 2017 11:25)

  • #4

    Butterbrot (Montag, 30 Oktober 2017 12:30)

    Hallo,

    ich sehe das ähnlich wie Tom. Ich habe auch keine große Angsz vor dem Tod ansich. Aber ich habe riesen Angst vor dem wie! Ist es lange und schmerzhaft bis zum Tod oder geht es ganz schnell. Habt ihr da ähnliche Befürchtungen?

    LG Butterbrot

  • #5

    Sonja (Dienstag, 12 Dezember 2017 08:58)

    Früher konnte ich nicht einmal auf Beerdigungen gehen. Es hat einfach zu sehr geschmerzt, die Trauernden in ihrem Schmerz zu sehen. Ich glaube inzwischen fest daran, dass der Tod der Beginn von etwas Neuem ist. Der Tod hat dadurch seinen Schrecken fast verloren; er gehört zu unserem Leben dazu.