Oder wie ich lieber sagen möchte: Themaverfehlung.
Seit gut einem Jahr, so ziemlich seitdem die Fridays for Future Bewegung mit dem Gesicht Greta Thunberg begonnen hat möchte ich über dieses Thema reden, nur fand ich bisher nie die Worte die ich sagen wollte, weil ich meine Meinung dazu nie so ganz klar einordnen konnte. Nachdem ich heute die gefühlt 3.523.578.992 Diskussion in Facebook à la "Greta ist scheiße - Greta ist toll" weiß ich nun, was mich stört. Und das möchte in nun thematisieren - oder eigentlich auch nicht, aber lasst mich erklären.
Menschliche Dummheit in ihrer vollsten Pracht.
Von Anfang an möchte ich eines klar stellen: Sollte sich jemand angegriffen fühlen, dann ist das wohl vermutlich auch genau so beabsichtigt. Dass es im Internet, und leider nicht nur da, unglaublich viel Dummheit gibt ist mir durchaus bewusst, aber ich habe keine Lust, etwas schön zu reden.
Das Thema Greta Thunberg ist vermutlich mittlerweile jedem in irgendeiner Situation an den Kopf geschwappt, vor allem durch Social Media, denn die FFF Bewegung, die dadurch ausgelöst wurde, wird in letzter Zeit doch lauter und lauter. Meine Stellung zu dem Thema möchte ich hier aber nicht breittreten, wer mich auch nur ein klein wenig kennt weiß aber vermutlich, wie ich im großen und ganzen zu dieser Thematik stehe. Dennoch hat das ganze Thema einen Haken, der mir heute richtig bewusst wurde - gut, Haken ist der falsche Ausdruck vielleicht, mir geht etwas schlichtweg komplett gegen den Strich. Erst vor ein paar Stunden habe ich mal wieder in meiner Facebook Timeline gesehen, wie jemand einen ellenlangen Anti-Greta Text gepostet hat - nur um in den Kommentaren einen ebenso ellenlange Pro-Greta Text vorzufinden. Die darin enthaltenen Argumente sind immer die gleichen - sie hatte gutes Marketing, ihre Reden sind vorgeskriptet; das Mädchen ist mutig und hat eine Bewegung ausgelöst etc., ehrlich gesagt ist es mir zu blöde, die Argumente aufzuzählen, bestimmt fallen jedem Pro und Contra Punkte ein. Aber nicht nur für und gegen Greta wird gesprochen, auch gegen die FFF Bewegung und jeden einzelnen, der sich daran beteiligt. Die eine Seite schreit "Kind, was willst du demonstrieren, du bist zu jung, geh erstmal arbeiten", die andere Seite schreit "Ihr Alten habt uns die Zukunft verbaut, ihr seid Helikopter Eltern", was weiß ich, so oder so ähnlich. Nun, worauf ich hinaus möchte: Es ist ein Schlagabtausch, in welchem man entweder pro Greta oder contra Greta ist, in dem man die FFF Demonstranten bestärkt oder sie nahezu beschimpft.
Aber kommt schon wer drauf, worauf ich hinaus möchte? Gerade im Internet kommt es mir so vor, als hätte keiner verstanden, worum es letzten Endes geht. Mag schon sein, dass eine Greta behütet aufgewachsen ist, mag schon sein, dass es Jugendliche gibt, die FFF als Vorwand nehmen um zu schwänzen, aber diese mag schon sein Thesen sind ganz einfach ganz, ganz unrelevant. Aber der Klimawandel ist nicht unrelevant. In meinen Augen ist es auch ganz, ganz egal wer daran schuld hat, wer darauf aufmerksam macht und wer etwas dagegen macht solange endlich damit begonnen wird, dem Thema ins Auge zu blicken.
Gefühlt blickt die ganze Welt aktuell auf die Jugend und diskutiert bis zum geht nicht mehr, ob das nun richtig oder falsch ist. Jugendliche sollen doch gleich auch noch für Alte und die Rente demonstrieren, Jugendliche sollen direkt auf ihr Smartphone verzichten, sich nicht mehr von ihren Eltern rumfahren lassen. Gleichzeitig gibts unzählige dumme und längst nicht mehr lustige Bilder im Sinne von "Oh wenn Greta erfährt dass in unserem Bier CO2 ist sind wir am Arsch". Vielleicht habe ich, was dieses Thema betrifft langsam keinen Humor mehr, aber manche Witze tun irgendwann einfach weh - bzw. tut Dummhei weh. Es wird abgelenkt, es wird mit dem Finger auf alle anderen gezeigt es werden unendlich Diskussionen geführt, die am Ende genau eines bewirken: Es wird abgelenkt von dem, was eigentlich relevant wäre.
Am Ende beschimpft sich, etwas blöd ausgedrückt, Otto Normalverbraucher und jene in den Ländern, die wirklich Macht hätten, verschließen einfach weiter die Augen, bringen Alibimäßig ein, zwei schlechte neue Gesetze auf den Markt und setzen einen Haken an das Thema.
Ich denke, es ist die Angst, die aus den allermeisten spricht. Und damit meine ich nicht die Angst, dass Fleisch teurer wird oder dass man sich kein tolles neues 300PS starkes Auto mehr leisten kann. Vermutlich wird den Menschen mittlerweile nach und nach klar, was in diesen Zeiten wirklich Sache ist - und genauso, dass sie kaum etwas tun können. Aber viele können damit nicht umgehen und projizieren alle Gedanken, in welcher Form auch immer, auf ein Mädchen welches, aus welchen Gründen auch immer, nun aktuell im Fokus steht. Oh, natürlich auch so ein Punkt. Vermutlich kratzt es vielen am Ego, dass ein junges Mädchen ein Thema auf den Tisch bringt, welches man gerne einfach nicht wahrhaben möchte.
Ich will hier an keinen appellieren, vegan zu leben, ich möchte keinem verbieten, ein Auto zu nutzen, ich möchte keinen zwingen, auf Plastik zu verzichten - ich selbst lebe bestimmt nicht gerade klimafreundlich, schon allein weil ich Pendlerin bin. Aber ich möchte, dass die Menschen endlich und ein für alle Mal verstehen, worum es geht. Es geht nicht darum, Stellung zu einer 16 Jährigen zu beziehen. Es geht nicht darum, für oder gegen eine Bewegung zu sein, ich bin der Meinung, dass es im aller, allerersten Schritt darum geht, Dinge zu sehen und zu verstehen. Wir sind in meinen Augen an dem Punkt an dem es heißt, ja, ist mal so richtig Scheiße gelaufen, aber weder Schuldzuweisungen noch Heroisierungen werden etwas ändern - dafür aber Taten.
Ich finde jeden einzelnen Greta Post so lächerlich und tatsächlich hasse ich meine eigene Doppel-Moral, dass Thema hier gerade so intensiv breit zu treten, aber ich kann gerade nicht anders. Ich bin wütend, wie viele dumme Menschen so viele dumme Scheiße von sich geben. Keine Sorgen, Greta wird dir dein Bier nicht wegnehmen. Und Greta macht auch deinen Sprit nicht teurer. Und keine Sorge, ein schwänzender Schüler mit seinem Smartphone wird dir bestimmt auch nichts tun, der geht dich ja auch eh nichts an. Am Ende sind es die Politiker, die die Dinge in der Hand haben und ändern können, wenn sie wollen. Oder wenn sie dazu gezwungen werden, weil der Druck von der Bevölkerung wächst. Gerade wir in Deutschland leben in einer Demokratie, das Volk wählt seine Vertreter, das Volk kann bewegen, das Volk hat eine Stimme. Aber solange das Volk gegenseitig versucht, sich die Schuld in die Schuhe zu schieben und sämtliche Emotionen und Argumentationen um eine 16 Jährige gehen, wird sich nichts ändern. Natürlich muss man auch bei sich selbst anfangen, jeder kann einen Beitrag leisten, aber sowas funktioniert nur, wenn man das Problem wirklich verstanden hat, wenn man von sich aus etwas ändern will.
Es wurde eine Bewegung geschaffen und eine Bewegung braucht nun einmal, vor allem am Anfang, ein Gesicht. Was man für sich persönlich daraus zieht, was man daraus macht, wie man mit der Verantwortung, die jeder einzelne von uns trägt umgeht, das obliegt jedem selbst. Aber hört auf, dumm zu sein. Hört auf, andere zu verteufeln. Bedenkt, wann immer man mit einem Finger auf einen anderen Menschen zeigt, so zeigen 3 Finger auf einen selbst zurück. Hört auf, sinnlosen, hirnlosen Müll zu teilen und zu reposten und nutzt euer eigenes Gehirn.
Andrea Karo
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